Deutscher Jiu Jitsu Bund

Nachdem 2023 der Zuspruch zum 30. Internationalen Jiu Jitsu Lehrgang noch von der Pandemie gedämpft war, war in diesem Jahr die Zuversicht wieder zurückgekehrt. Wie in Zeiten vor der Pandemie kamen mehr als 250 Teilnehmer nach Otterbach.
Dem Team der Lehrer mit unserem Präsidenten Josef Djakovic (9. Dan Jiu Jitsu), Alain Sailly aus Frankreich (9. Dan Goshindo) und Günter Painter aus Österreich (9. Dan Jujutsu und Kobudo) schloss sich kurzfristig Harald Westrich (6. Dan Jiu Jitsu) an, der für den ursprünglich eingeplanten Florian Dau (7. Dan Ju Jutsu) einsprang.
Wo es schmerzt, da greift man hin. – Dieses deutsche Sprichwort wird von Günter Painter ins Gegenteil verkehrt im Sinne von: Wo er hingreift, schmerzt es. Günter hat viele Jahre Erfahrung in zahlreichen Kampfkunstarten sammeln können, doch seine Schwerpunkte sind Kobudo und Ju-Jutsu, in beiden Disziplinen trägt er den 9. Dan. Bei seinen beiden Lehrgangseinheiten zeigte er einerseits Hebeltechniken mit bestechender und nicht selten beeindruckend schmerzhafter Präzision und andererseits Abwehrtechniken mit dem Stock. Ungewöhnlich für Budoka waffenloser Selbstverteidigung ist der Einsatz eines Stocks als Abwehrwaffe, eigentlich aber naheliegend, wenn man an die Möglichkeiten denkt, einen Spazier- oder Wanderstock oder gar Gehstöcke und Unterarmstützen zur Abwehr zu nutzen und einen Gegner durch Hebel mit großer Übersetzung mit wenig Kraft zu fixieren. Repetitio est mater studiorum.
 

Josefs Thema an diesem Wochenende war der Kontrast zwischen schneller, entschlossener Abwehr für eine effektive Selbstverteidigung und einer ausgefeilteren Kampfkunst-Technik als Antwort auf den gleichen Angriff. Die kurze und oft drastische Abwehr überrascht den Angreifer und kann eine Auseinandersetzung schnell beenden, hier wäre kein Platz für Würfe, Hebelkombinationen und Festlegetechniken. Für die Körperschule, die Demonstration, die Prüfung oder ein Turnier mag die ausgearbeitete Kampfkunst besser geeignet sein. Wofür man sich auch entscheidet: Das Wesentliche bleibt die Übung, die ständige Wiederholung, damit die Techniken auch in unvorhergesehenen Situationen immer abrufbar bleiben. So zeigt Josef die Technik, demonstriert sie dann in den Details, führt sie erneut aus zwei Perspektiven vor und ruft dann alle Teilnehmer zum Üben auf, immer und immer wieder, bis die stets zu kurze Lehrgangseinheit auch schon vorbei ist.
Let’s Dance – Seit vielen Jahren ist Alain Sailly in Otterbach zu Gast, sein Stil überrascht trotzdem auch langjährige Teilnehmer immer wieder durch die Präzision und Grazilität der Bewegungen. Alain kann den Balletttänzer in sich nicht verleugnen. Mit Humor und Charme präsentierte Alain einerseits Abfolgen von waffenlosen Abwehrtechniken und andererseits Techniken mit Stöcken, die den Partnern Präzision und Aufmerksamkeit abverlangten. Und so sehr die sorgsam choreografierten Bewegungsabläufe und Techniken auch etwas Spielerisches haben: Wer je als Uke für Alain zur Verfügung gestanden hat, weiß, wie präzise und bedingungslos Goshindo auch als effektive Kampftechnik eingesetzt werden kann. Oft sind es nur Zentimeter und etwas verstärkte Impulse, die aus der zuvor abgestoppten Bewegung eine zwingende und nicht zu konternde Waffe des Körpers formen.Der Kopf ist rund, damit das Denken – nach Francis Picabia – die Richtung wechseln kann.
 

Harald legte gemäß dem Aphorismus des französischen Schriftstellers, Malers und Grafikers großen Wert darauf, alle Budoka mit Neuem, Ungewöhnlichem zu konfrontieren. Seien es Griffe und Hebel, die die Anfänger sicherlich in dieser Form noch nicht kennengelernt hatten oder auch Techniken und Abfolgen, die den Erfahrenen Umdenken abverlangen. Sei es, dass der Griff zur Sicherung des Tori nun anders als gewohnt angesetzt wird, sei es, dass die Rolle zwischen Uke und Tori im Ablauf mehrfach wechselt, bis eine Abfolge von Techniken entsteht, die auch einer Pairs-Vorführung zugrunde gelegt werden könnte. Immer muss man sich auf Neues einlassen, seinen Geist öffnen. Nach allem vielleicht Unvorhersehbaren steht am Ende eine Technik, die Uke mit hoher Präzision und Endgültigkeit zu Boden führt.
Weil der Bambus geschmeidig ist. – Zum Abschluss überreichte Harald unserem Präsidenten ein Unikat: Die vom Gründer unseres Verbandes Hans-Gert Niederstein (*1928, †1985; 10. Dan Jiu Jitsu) verschriftlichten, oft philosophischen Gedanken zur Kampfkunst, die dieser ab den 1970er Jahren in der Schriftenreihe "Der Samurai" veröffentlicht hatte, sind teilweise erhalten; Harald hat diese Gedanken in einem Buch zusammengefasst und entsprechend bebildert. Damit kann Josef die Gedanken seines Lehrers im Verband auf eine besondere Art und Weise weiter leben lassen und die Tradition mit der Moderne verbinden.
Harald hat alle Referenten auch für das kommende Jahr zum 32. Internationalen Jiu Jitsu Lehrgang in Otterbach eingeladen, der am 8./9. März 2025 stattfinden wird. Auf Wiedersehen in Otterbach 2025!
 

Text und Bilder: Dr. Peter Merguet