Deutscher Jiu Jitsu Bund

Im Jahre 1725 erscheint Antonio Vivaldis Werk Die vier Jahreszeiten (im Italienischen: Le quatro stagioni), welches aus vier Violinenkonzerten besteht, die jeweils eine Jahreszeit vorstellen. Seit wann die Pizza "Vier Jahreszeiten" unsere Mägen erfreut, ist nicht genau auszumachen, vermutlich wird das Traditionsgericht Pizza im nächsten Jahr das 500-jährige Jubiläum feiern. Allemal ein Anlass über den Lehrgangsplan des Deutschen Jiu Jitsu Bundes und seine "Jahreszeiten" nachzudenken.
Seit langer Zeit beginnt der Lehrgangsplan in der Regel mit dem alljährlich stattfinden KID-Seminar, das vom Vorstand der KID ausrichtet wird und die Mitglieder der KID als Adressaten vorfindet. Es folgen in den ersten drei Monaten Lehrgänge für Mon-, Kyu- und Dangrade, und zwar mit unterschiedlichen Schwerpunkten, seien es Kata-Lehrgänge, Kinder-Lehrgänge oder Lehrgänge mit technischen Schwerpunkten. Jeder Jiu-
Jitsuka muss eine Mindestanzahl an Lehrgängen erfolgreich besuchen, wenn eine Prüfung absolviert werden soll. Nach oben hin werden die Ansprüche größer, denn es muss sowohl hinsichtlich der Qualität als auch der Quantität Fortbildung erfolgen.
Insbesondere für Lehrer/Trainer ist dies wichtig, denn sie sind ja selbst diejenigen, die an der stetigen Fort- und Weiterbildung beteiligt sind. Hier reicht ein kleiner "Vorsprung" zu den Schülern nicht aus. Dies zeigt sich auch im internationalen Zusammenhang. Denn Jiu Jitsu als Mitglied der Budo-Kampfkünste ist international, wie Karo Seck, welche beim internationalen Lehrgang mit Wettkampf am 16. März 2019 in Belgien teilgenommen hat, berichtet: Einige der europäischen Landesverbände haben aus ihren nationalen Meisterschaften inzwischen ein internationales Event gemacht, sodass es für umliegende Vereine möglich ist, daran teilzunehmen.
300 Jiu-Jitsuka kamen am 16. März 2019 für einen internationalen Lehrgang in Belgien zusammen, 120 allein aus Europa: England, Ungarn, Spanien, Dänemark, Italien, Schweden und Deutschland. Als deutsche Sensei waren Markus Wilger (5. Dan Jiu Jitsu, Tenwa-Ryu Bottrop) und Jürgen Rautert (4. Dan Jiu Jitsu, TBF Essen-Frintrop) eingeladen worden, die sieben ihrer Schüler mitbrachten. Markus Wilger zeigte effektive Schlagabwehren aus dem Stand, Jürgen Rautert lehrte Techniken zur effektiven Abwehr von Würgeangriffen in der Bodenlage. "Die Gemeinsamkeiten in allen Techniken sind der richtige Hüfteinsatz und die Beachtung der Kraftlinien mit richtigem Winkel, welche die Technik erleichtern und Raum geben für Geschwindigkeit und Effektivität", so Markus Wilger.
 

Im Anschluss an den Lehrgang fanden dann die Meisterschaften statt, bei denen Karo Seck in der Disziplin "Einzelkata ohne Waffen" antrat und den zweiten Platz errang. "Das Schöne an solchen Events ist, dass man internationale Bekanntschaften pflegt und auch neue schließt. Zum einen war meine Zimmerpartnerin aus Spanien sehr nett, zum anderen ist und bleibt es eine Meisterschaft auf freundschaftlicher Basis, sodass die Erstplatzierte und ich an jenem Tag viel ins Gespräch kamen. Wir freuen uns alle auf ein Wiedersehen mit unseren "Budo Friends"", so sieht es auch Karo Seck. Fazit: "Es hat Spaß gemacht, über den Tellerrand zu schauen", so die einhellige Meinung. In dieser Momentaufnahme spiegelt sich der Gedanke des internationalen sportlichen Vergleichs genauso wider, wie der Gedanke internationaler Freundschaft im Geiste des Budo es vermag. Hier ist ebenfalls Raum für Lehren und Lernen. Gelernt und geübt wird aber auch oft unspektakulär und unter dem Schirm des Alltäglichen und Normalen – hierzu gehört zum Beispiel das regelmäßige Training im Verein unter der Woche oder am Wochenende.
So haben sich die beiden Ruhrgebiets-Vereine Tenwa-Ryu Bottrop und Turnerbund Essen-Frintrop zusammen mit ihrer Gibraltar-Bekanntschaft Thorsten Bock vom PSV Krefeld zu einem wettkampfspezifischen Training – Training unter Freunden – beim Tenwa-Ryu Bottrop getroffen.
Schon bei der Vorbereitung auf die UNJJ-Meisterschaften in Gibraltar im September 2018 haben Bottrop und Frintrop kooperiert, um die jeweiligen Stunden gemeinsam zu nutzen, ebenso zur aktuellen Prüfungsvorbereitung. Markus Wilger präsentierte dann bei einem gemeinsamen Treffen die Idee: "Es würde mich freuen, wenn wir uns vier Mal im Jahr zum gemeinsamen Training sehen und zu verschiedenen Disziplinen unser Repertoire erweitern, ganz im freundschaftlichen Sportsgeist.‟
 

Gesagt, getan: Am 24. März wurde vier Stunden lang unter der Leitung von Thorsten Bock (1. Dan Jiu Jitsu) aus Krefeld trainiert. Diesmaliges Thema: Bodenkampf. "Hier soll es heute nicht um gewinnen oder verlieren, besser oder schlechter gehen‟, betont Markus Wilger zu Anfang des Trainings, "sondern darum, voneinander und miteinander zu lernen und sich auf Augenhöhe auszutauschen.‟ Nach dem Prinzip der Open Mat wurden bei ungezwungener Atmosphäre sowohl Hebeltechniken und Würgegriffe angebracht, als auch die Befreiung aus etwaigen Situationen nach den Regeln der DJJB- und UNJJ-Wettkampfordnung geübt. Am Ende waren sich ebenfalls alle einig: "Es hat viel Freude gemacht!‟ – Die Freude am Tun und an der Bewegung ist offensichtlich einer der Schlüssel zum Erfolg. Erfolg heißt hier inneres und äußeres Wachstum. Größer werden, ohne hierbei andere bei ihrem Wachstum zu hindern oder zu stören.
Die Matte ist groß genug für alle. Jiu-Jitsuka auf der Matte lernen von klein auf, diesen so wertvollen Raum gemeinsam mit anderen Übenden zu nutzen. Die Matte ist auch ein Ort der Sozialisation. Der Jiu-Jitsuka lernt die Kräfte, Fähigkeiten und Techniken zu schätzen, und zwar eigene und die des Gegenübers. Das alles braucht Zeit. Zeit für das Einfinden in die Gruppe, in die Technik und auch in das Prüfungsprogramm, das immer wieder (wie in einem großen Lern-Zyklus) aufs Neue gelernt, überprüft, präsentiert und verinnerlicht wird. Von der Weihnachtszeit bis Ostern liegen Monate, welche intensiv für das Lehren und Lernen verwendet werden. Im zweiten Quartal beginnt die Vorbereitung auf Prüfungen: Dan-Vorbereitungslehrgänge und internationale Lehrgänge wie "Otterbach" stehen auf dem Programm. Aber auch Kinder- und Jugendlehrgänge fügen sich ein, um Kinder und Jugendliche im Jiu Jitsu weiter zu fordern und zu fördern. Aber auch der erste Jiu Jitsu Kompaktlehrgang und der erste Lehrgang "Ü50" konnten die Teilnehmer begeistern, genau so wie es seit Jahren der Kyu- und Dan-Lehrgang "Faustfeuerwaffen" vermag. Zum Sommer hin fokussiert sich alles auf Mon-, Kyu- und Danprüfungen.
Die Danprüfungen sind immer ein Highlight, das man sich nicht entgehen lässt. Danprüfungen sind Kristallisationspunkt einer langen Vorbereitungsphase. Ein Projekt, das zur Umsetzung gelangt..., real wird, gereift ist und mit höchstmöglicher Präzision und Verlässlichkeit umgesetzt werden will. Ein Ort, an dem Meisterschaft und der Wille zur Meisterschaft offenbar werden. Zu den Danprüfungen könnten auch die vier Violinkonzerte des Meisters aus dem Barock den Raum mit dem Geist des Barock erfüllen, doch das würde thematisch sicherlich nicht passen, so runden weiterhin die japanische und die deutsche Nationalhymne diesen besonderen Tag auf ihre Weise ab.
Mit Blick auf die "Jahreszeiten" neigen sich zu diesem Zeitpunkt im kalendarischen Sinne zwei Quartale ihrem Ende zu, denn es folgt die Sommerzeit mit einer Sommerpause, die keine ist, denn die lange Phase des Sommers wird genutzt, um neue Kraft zu tanken, sich auszuruhen und die Dinge sacken zu lassen.
Vivaldis Vier Jahreszeiten gehen von den vier im meteorologischen Sinne – und auf der Natur basierenden – Jahreszeiten mit ihren Naturgewalten aus, insgesamt etwas verschoben, doch bezüglich der Kraft der Jahreszeiten immer zutreffend. Das Frühjahr ist der Inbegriff des Anfangs und der Entstehung, und es beschreibt das Kindes- und Jugendalter. Der Sommer den jungen Erwachsenen, während der Herbst schon den reifen Erwachsenen mit dem einen oder anderen grauen Haar im Blick hat. Im Winter vereinen sich Alter, Reife, Weisheit, Gelassenheit und die Freude, gegeben zu haben. – Vor dem Winter steht der Herbst, der im Lehrgangsplan des DJJB immer viel zu bieten hat. In diesem Herbst/Winter werden neben zahlreichen Pflichtlehrgängen unter anderem noch der Kooperationslehrgang DJJB/DJJU am 14./15. September 2019 und das Kompetenz-Seminar als Intensivseminar, in dem am 9./10. November 2019 unter einem Dach mehrere Pflichtlehrgänge beim Zen-Bogyo Do in Otterbach kombiniert werden, stattfinden.
Der Reigen an interessanten Lehrgängen für alle Gürtelgrade im Jiu Jitsu mündet letztendlich wieder dort, wo auch schon das erste Halbjahr seinen krönenden Abschluss gefunden hat – in den Danprüfungen. – Das Jahr endet für die Prüflinge und die Prüfer hier, doch im Verein erst mit dem letzten Training. Dann stimmt man sich auf die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel ein. Kalendarisch endet das "Lehrgangsjahr", doch Vivaldis Winter baut die Brücke ins neue Jahr.
Die Vorbereitungen für Lehrgänge, Prüfungen, Vereinsfahrten, Meisterschaften und die 500-Jahr-Feier für eine der beliebtesten Speisen der Welt laufen im Hintergrund längst schon wieder auf Höchsttouren. Der Zyklus setzt sich fort.

Text: Karo Seck, Volker Schwarz
Photos: Karo Seck